Bauen in der Corona-Krise

31. März 2020

Verhalten auf der Baustelle

Stand heute dürfen Baustellen weiter betrieben werden.

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat mit Erlass vom 23. März 2020 öffentliche Bauherren bzw. Auftraggeber angewiesen, die Gefahren der Ansteckung mit dem Coronavirus und seiner Verbreitung durch baustellenspezifische Regelungen soweit wie möglich zu minimieren. Eine besondere Bedeutung komme in dieser Situation dem Sicherheits- und Gesundheitskoordinator nach § 3 BaustellenV zu. Es sei sicherzustellen, dass dieser entsprechend tätig wird. Darüber hinaus wird auf die Empfehlungen der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft verwiesen.

Die Anweisungen des Ministeriums sind zwar für private Bauherrn bzw. Auftraggeber nicht bindend, dürften aber auch hier als Orientierung für eine sachgerechten Bauablauf dienen.

Corona-bedingte Bauablaufstörungen und deren Auswirkungen auf Fristen & Termine

Bei Bauverträgen ohne Verbraucherbeteiligung wird regelmäßig die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen – kurz VOB/B – als Vertragsgrundlage vereinbart.

Die VOB/B sieht – sofern sie wirksam vereinbart wurde – Regelungen für die Behinderung und Unterbrechung der Arbeiten vor.

Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c VOB/B können Ausführungsfristen und Vertragstermine verlängert bzw. verschoben werden, soweit eine Behinderung durch höhere Gewalt verursacht wird.

§ 6 Abs. 2 VOB/B verlängert die Ausführungsfristen „automatisch“, wenn tatsächlich eine Behinderung vorliegt und entweder i) der Auftragnehmer diese ordnungsgemäß angezeigt hat oder ii) die behindernden Umstände offenkundig sind; d.h., wenn dem Auftraggeber die Tatsachen der Behinderung und ihre hindernde Wirkung bekannt sind.

Die Corona-Krise ist – zumindest für vor der Krise abgeschlossene Verträge – geeignet, den Tatbestand der höheren Gewalt zu verwirklichen. Der Begriff der „höheren Gewalt“ wird vom BGH (NJW 1953, 184) als ein „betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln auch durch die äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer in Kauf zu nehmen ist“ definiert (BeckOK VOB/B/Oberhauser VOB/B § 6 Abs. 2 Rn. 10).

Für neu abzuschließende bzw. jüngst abgeschlossene Bauverträge dürfte eine Corona-bedingte höhere Gewalt nur noch eingeschränkt in Betracht kommen, da das Ereignis nun nicht mehr unvorhersehbar sein dürfte. Bei neuen Verträgen empfiehlt es sich daher, dass Thema explizit im Bauvertrag zu regeln.

Die Partei, welche sich bei bestehenden Verträgen auf eine Verlängerung der Ausführungsfristen beruft (das kann auch der Auftraggeber sein), ist hinsichtlich der Corona-bedingten Bauablaufhemmungen bzw. -verzögerungen beweisbelastet.

Nicht allein ausreichend dürfte sein, dass einzelne Mitarbeiter oder Lieferanten an dem Corona-Virus erkranken oder verdachtsbedingt zu Hause bleiben müssen, dies dürfte –wie bei anderen Krankheiten auch – in den Risikobereich des Betroffenen fallen.

Anders könnte es allerdings schon aussehen, wenn:

    • sämtliche Mitarbeiter des Auftraggebers oder des Auftragnehmers unter Quarantäne gestellt werden oder
    • auf der Baustelle aufgrund von behördlich angeordneten Beschränkungen (oder weil als Folge von entsprechenden Anordnungen Materiallieferungen ausstehen) nicht mehr ordnungsgemäß gearbeitet werden kann.

Erfahrungswerte oder Rechtsprechung gibt es hierzu allerdings noch nicht.

Das Einstellen der Arbeiten unter pauschalem Verweis auf die Corona-Krise – und z.B. eine erhöhte Ansteckungsgefahr – erfüllt den Tatbestand sicher nicht.

Daher sollten Beeinträchtigungen frühzeitig gegenüber dem Vertragspartner angezeigt werden. Hierbei sollte konkret dargelegt werden, wie sich die Corona-Krise auf das Bauvorhaben und die vertraglich geschuldeten Leistungen sowie insbesondere auf die Fristen und Termine auswirkt.

Kann im Einzelfall höhere Gewalt bejaht werden und ist die Ausführung der bereits begonnenen Arbeiten für voraussichtlich längere Dauer – regelmäßig mehr als einen Monat (BeckOK VOB/B/Oberhauser VOB/B § 6 Abs. 5 Rn. 1) – unterbrochen, sind gemäß § 6 Abs. 5 VOB/B die bereits erbrachten Leistungen nach den Vertragspreisen (vorläufig) abzurechnen und außerdem die Kosten zu vergüten, die dem Auftragnehmer bereits entstanden und in den Vertragspreisen des nicht ausgeführten Teils der Leistung enthalten sind.

Dauert eine Unterbrechung länger als drei Monate, so kann jede Partei den Vertrag schriftlich kündigen, weil ihr ein Festhalten am Vertrag dann unzumutbar sein kann, vgl. § 6 Abs. 7 S. 1 VOB/B. Auch hier gilt allerdings wieder für neue Bauverträge, dass das Kündigungsrecht ausgeschlossen ist, wenn Unterbrechungen eintreten, die bei Abschluss des Vertrages bereits bekannt waren oder mit denen gerechnet werden musste (BeckOK VOB/B/Oberhauser VOB/B § 6 Abs. 7 Rn. 3).

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