Neue Spielregeln für Arbeitsverträge - Hinweise für Arbeitgeber

4. Juli 2022

Zu Beginn der Sommerferien sorgt der Gesetzgeber noch einmal für Arbeit: Ab dem 01.08.2022 gelten neue Nachweispflichten zum Arbeitsvertrag – und das leider sogar bußgeldbewehrt! Höchste Zeit also, die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen, um Bußgelder zu vermeiden – und bei der Gelegenheit gleich einmal die Arbeitsvertragsmuster zu aktualisieren. Mit den wichtigsten FAQs finden Sie ein wenig schneller den Weg durch das Dickicht der Regelungen:

  1. Worum geht es?

Mit Wirkung ab dem 01.08.2022 treffen den Arbeitgeber zusätzliche Nachweispflichten. Er muss den Arbeitnehmern bestimmte Mindestinhalte des Arbeitsverhältnisses und Spielregeln der Zusammenarbeit schriftlich mitteilen. Dies ist die Konsequenz aus einer Neufassung des Nachweisgesetzes, mit der eine europäische Richtlinie umgesetzt wird.

Achtung: Nach § 4 NachwG neue Fassung gilt bei Verstößen gegen die Pflichten des Gesetzes ab dem 01. August ein Bußgeld von bis zu 2.000 € pro Einzelfall (also: pro Mitarbeiter, dem gegenüber Verstöße vorliegen). Das ist, auf die Belegschaft hochgerechnet, ein erhebliches Risiko für Arbeitgeber.

  1. Ab wann gelten die neuen Regeln?

Die Regelungen treten bereits zum 01.08.2022 in Kraft. Es gibt keine Übergangsfrist für Arbeitgeber.

Der Gesetzgeber musste aufgrund der europäischen Richtlinie (EU) 2019/1152 bis zum 31.07.2022 die Regelungen der Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Warum er das erst wenige Wochen vor Fristende erledigt, wird sein Geheimnis bleiben, aber die Praxis wird leider umso schneller reagieren müssen.

  1. Welche Arbeitsverhältnisse sind betroffen?

Vereinfacht gesagt: Alle. Bislang gab es Ausnahmen für Aushilfskräfte, die nicht länger als einen Monat beschäftigt wurden. Nunmehr geraten auch Ferienjobs oder geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in die Dokumentationspflicht. Auch bei Auszubildenden geltend fortan umfangreichere Nachweispflichten.

  1. Was hat das Nachweisgesetz mit dem Arbeitsvertrag zu tun?

Streng juristisch betrachtet: Gar nichts. Rein praktisch gesehen: Sehr viel.

Der Arbeitsvertrag regelt die Bedingungen der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ein Arbeitsvertrag ist und bleibt in Deutschland formfrei, er muss also nicht (auch wenn das dringend anzuraten ist), schriftlich geschlossen werden. Welche Regeln zwischen den Parteien im Arbeitsverhältnis gelten, bestimmt sich allein nach den vertraglichen Vereinbarungen.

Das Nachweisgesetz verpflichtet seit 1995 Arbeitgeber dazu, binnen eines Monats nach Beginn der Zusammenarbeit die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen. Da zuletzt Arbeitsverträge fast nur noch schriftlich abgeschlossen wurden, erfolgte in der Regel kein solcher separater „Nachweis“ – die Vertragsbedingungen waren ja schon im Vertrag festgehalten.

Gerade hieraus ergibt sich nun für die meisten Arbeitgeber Handlungsbedarf: Die Musterarbeitsverträge waren mit Blick auf § 2 Abs. 1 NachwG alte Fassung so ausgelegt, dass die dort vorgesehenen Mindestinhalte alle abgearbeitet wurden. Nunmehr wird dieser Mindestkatalog aber deutlich erweitert, und zwar teilweise mit Regelungen, die bislang in der Praxis nicht vorgesehen waren. Damit entsteht ein Anpassungsbedarf für die bisherigen Musterverträge.

  1. Was sind die wichtigsten Neuerungen?

Die Neufassung des Gesetzes erweitert die Nachweispflichten grundlegend.

Nicht nur wird der persönliche Anwendungsbereich erweitert und damit gegenüber mehr Arbeitnehmern eine solche Pflicht geschaffen, sondern es kommen auch zahlreiche neue Informationspflichten hinzu.

Der bislang 10 Punkte umfassende Katalog des § 2 Abs. 1 NachwG alte Fassung wird deutlich erweitert. Bei einzelnen Punkten kommen neue, weitergehende Informationspflichten hinzu, und künftig müssen Arbeitgeber einen Katalog von 15 Punkten abarbeiten, um mit dem Gesetz in Einklang zu bleiben.

Während einige diese Punkte noch Detailfragen betreffen, die vielfach ohnehin bereits in Arbeitsverträgen geregelt werden (z.B. Informationen zu Befristungsdaten oder eine Probezeitvereinbarung), sind detaillierte Angaben zu Vergütungsbestandteilen und Schichtsystem doch eher die Ausnahme – und Hinweise auf Verfahren nach Ausspruch einer Kündigung bis hin zum Hinweis an Arbeitnehmer auf die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage sind schlichtweg ungewöhnlich.

Verschärft wurden auch die Fristen: Bislang konnte sich der Arbeitgeber nach Beginn des Arbeitsverhältnisses noch einen Monat Zeit lassen. Nach der Neufassung greift die Nachweispflicht bereits ab dem ersten Tag – und auch für Bestandsmitarbeiter muss der Arbeitgeber innerhalb von einer Woche nach Anfrage durch die Mitarbeiter die geforderten Nachweise erbringen.

  1. Was passiert, wenn man das alles ignoriert?

Dann kann es richtig teuer werden. Bislang waren Verstöße gegen die Pflichten des NachweisG in der Regel sanktionslos. Von einigen besonderen Konstellationen abgesehen, wirkte sich eine fehlende Information durch den Arbeitgeber nicht auf das Arbeitsverhältnis aus und drohte Arbeitgebern kein Ungemach.

Jetzt aber gibt es einen neuen Bußgeldtatbestand. Danach können Verstöße gegen die Pflichten des Gesetzes mit einem Bußgeld von bis zu 2.000 € pro Einzelfall geahndet werden, also pro Mitarbeiter, dem gegenüber der Arbeitgeber nicht oder nicht vollständig oder nicht richtig oder nicht rechtzeitig seinen Pflichten aus dem Gesetz nachgekommen ist.

Das stellt, wenn man es auf die Belegschaft oder jedenfalls die Fälle, in denen dringender Handlungsbedarf besteht, hochrechnet, ein erhebliches wirtschaftliches Risiko für Arbeitgeber dar.

  1. Was ist nun zu tun?

Es gibt unterschiedlichen Handlungsbedarf für Arbeitgeber, und es gibt unterschiedliche Handlungsoptionen:

  • Wer gegenüber seinen Arbeitnehmern bislang weder einen Arbeitsvertrag noch einen schriftlichen Nachweis über die Vertragsbedingungen erbracht hat, wird dies nun erstmalig erledigen müssen.
    Achtung: Das neue NachwG erfasst nun mehr Arbeitsverhältnisse als die bisherige Gesetzesfassung.
  • Wer bislang einen (rudimentären) Arbeitsvertrag verwendet hat und daneben noch seine Arbeitnehmer mit einem Schreiben im Sinne des NachwG informiert hat, der kann nun entscheiden, ob er nunmehr auf ein gesondertes Nachweisschreiben verzichtet und lieber seinen Arbeitsvertrag ausführlich und rechtssicher gestaltet, oder ob er das Informationsschreiben im Sinne des NachwG anpasst.
  • Wer bislang (nur) einen (ausführlichen) Arbeitsvertrag verwendet hat, der alle bislang gem. § 2 Abs. 1 NachwG alter Fassung notwendigen Inhalte berücksichtigte (und daher kein separates Schreiben nach dem NachwG erstellen musste), kann nun wählen, ob er seinen bisherigen Mustervertrag anpasst, oder ob er daneben ein um die neuen Inhalte ergänztes Nachweisschreiben aushändigt.
  1. Was ist die Empfehlung?

Im Zweifelsfall lautet die Empfehlung, die bisherigen Musterarbeitsverträge anzupacken und zu aktualisieren.

Zum ersten erspart man sich damit die Diskussion über die Verbindlichkeit von Vereinbarungen. Rechtlich verbindlich sind Vereinbarungen im Arbeitsvertrag, bei einem Nachweisschreiben ist dies gerade nicht gesichert.      
Gestaltungshinweis: In manchen Konstellationen mag es sein, dass Arbeitgeber gerade keine verbindliche und abschließende Vereinbarung wollen, sondern sich eine einseitige Änderung bestimmter Regelungen vorbehalten möchten. In diesen Fällen wäre dann zu prüfen, ob dies bei einer Regelung in einem Arbeitsvertrag noch möglich wäre (z.B. Widerrufsmöglichkeit), oder ob solche Punkte dann „in ein Nachweisschreiben ausgelagert“ werden müssten.

Zum zweiten sollte ohnehin der Musterarbeitsvertrag regelmäßig überprüft werden. Fast alle in Deutschland verwendeten Arbeitsverträge sind Musterverträge und unterfallen damit den Regelungen der §§ 305 ff. BGB (Kontrolle von Allgemeinen Vertragsbedingungen).              
Durch Gesetzesänderungen, vor allem aber durch eine sich stetig ändernde Rechtsprechung, verlieren viele Vertragsklauseln, die bedenkenlos über Jahre hinweg angewendet werden konnten, ihre Gültigkeit und Durchsetzbarkeit, ohne dass die Arbeitgeber es merken. Das böse Erwachen kommt dann erst im Streitfall vor Gericht.

Die nun ohnehin vorzunehmenden Anpassungen sollten daher dafür genutzt werden, den Arbeitsvertrag einmal einer schnellen Kontrolle zu unterziehen, ob es nicht ohnehin noch weiteren Anpassungsbedarf an die geänderte Rechtsprechung und neue Gesetze gibt.

Zum dritten dient dies auch einer Reduzierung des bürokratischen Aufwands. Denn leider hat der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit, die ihm die europäische Richtlinie einräumte, keinen Gebrauch gemacht: Die Erfüllung der Nachweispflichten in Textform oder auf digitale Weise ist nicht möglich. Der Arbeitgeber ist vielmehr dazu gezwungen, weiteres Papier zu bedrucken und zu unterschreiben und abzuheften – anders kann er seinen Pflichten aus dem NachwG nicht nachkommen.

Dann aber spricht viel dafür, bei dieser Formvorgabe gleich einen ausführlichen Arbeitsvertrag abzuschließen, der zwar nach wie vor in Deutschland nicht schriftlich abgeschlossen werden muss, aber zu Beweiszwecken am besten schriftlich vorliegen sollte (und wenn es sich um einen befristeten Arbeitsvertrag handelt, schriftlich vorliegen muss, denn ansonsten ist die Befristungsabrede nicht wirksam).

  1. Wer kann mir dabei helfen?

Ausgerechnet zu Beginn der Sommerferien die Personalabteilungen mit diesem zusätzlichen Aufwand bei einer Handlungsfrist von nur wenigen Wochen zu „beglücken“, war nicht unbedingt eine Glanzleistung des Gesetzgebers. Aber nun ist das Gesetz da, und es ist bis zum 01.08.2022 umzusetzen.

Unmittelbarer Handlungsbedarf besteht für alle Neueinstellungen ab dem 01.08.2022. Für Bestandsmitarbeiter besteht der Handlungsbedarf dann, wenn diese ebenfalls eine entsprechende Unterrichtung anfordern – dann allerdings muss der Arbeitgeber binnen einer Woche reagieren.

Für die Überprüfung des bisherigen Mustervertrags und dessen Vereinbarkeit mit der aktuellen Rechtsprechung und Gesetzeslage, sowie für die Ergänzung um die neuen Anforderungen aus dem NachwG und eine Einschätzung, bei welchen dieser (leider im Einzelnen teilweise unklaren) Vorgaben noch Handlungsspielräume bestehen, stehen Ihnen die Arbeitsrechtler von LLR Rechtsanwälte gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.

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