COVID 19 und die Auswirkungen auf die Chefarztvergütungen

21. April 2020

Die Corona-Krise hat vielfältige Konsequenzen. Auch die Vergütung der Chefärzte in den Krankenhäusern kann betroffen sein, wenn sie einen variablen, von den Einnahmen des jeweiligen Krankenhauses abhängigen Vergütungsanteil enthält. Hintergrund ist die Verschiebung planbarer Behandlungen und Operationen, um damit Kapazitäten für COVI-19 Patienten freizuhalten.

 

In der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder am 12. März 2020 sind verschiedene Beschlüsse gefasst worden, u.a. der, in den Krankenhäusern, soweit medizinisch vertretbar, grundsätzlich alle planbaren Aufnahmen, Operationen und Eingriffe ab dem 16. März 2020 auf unbestimmte Zeit zu verschieben und auszusetzen. Mittlerweile hat sich etwa das Land Nordrhein-Westfalen mit § 12 des neuen Infektionsschutz- und Befugnisgesetzes (IfSBG-NRW) vom 14. April 2020 auch eine eigene Rechtsgrundlage geschaffen, um rechtlich bindend anzuordnen, dass sogenannte elektive Eingriffe verschoben werden.

In diesem Zusammenhang wird vertreten, dass jedenfalls dann von Chefärzten ein Verzugsschaden gegenüber den jeweiligen Krankenhäusern geltend gemacht werden kann, wenn in den Anstellungsverträgen eine sogenannte Beteiligungsvergütung vereinbart worden ist, die Chefärzte also eine variable Vergütung in der Form erhalten, dass sie an den Liquidationseinnahmen des Krankenhauses intern mit einer Quote beteiligt werden.

Bei den Chefärzten, denen das Liquidationsrecht für diese Leistungen unmittelbar eingeräumt ist und denen die ambulante Beratung und Behandlung als Nebentätigkeit genehmigt wurde, wird dagegen ein Schadenersatzanspruch eher verneint.

 

1. Chefärzte mit Liquidationsrecht

Soweit Chefärzten, wie früher durchweg üblich, das Liquidationsrecht für die Behandlung der Wahlleistungspatienten unmittelbar eingeräumt und die ambulante Beratung und Behandlung als Nebentätigkeit vereinbart worden ist, hat die Rechtsprechung einen Anspruch auf Vergütung nach § 615 S. 1 BGB abgelehnt.

Durch Annahmeverzug entgangene „Erwerbschancen“, z.B. das Privatliquidationsrecht eines Arztes, seien keine Vergütung im Sinne von § 615 S. 1 BGB (BAG v. 15.09.2011, 8 AZR 846/09). Mit dieser Rechtsprechung steht fest, dass die liquidationsberechtigten Chefärzte für die nicht mehr vorhandene Möglichkeit, elektive Eingriffe durchzuführen, keine verschuldensunabhängigen Ansprüche über das Betriebsrisiko nach § 615 S. 3 BGB geltend machen können.

Zwar könnte in solchen Fällen ein Schadenersatzanspruch über § 280 BGB bestehen. Hierfür wäre aber ein Verschulden des Krankenhausträgers erforderlich, das regelmäßig nicht vorliegen dürfte. Denn in Bezug auf die hoheitliche Maßnahme (Verschiebung aller planbaren Aufnahmen, Operationen und Eingriffe), welche die zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten des Chefarztes verhindert, liegt kein Verschulden des Krankenhauses vor.

Unabhängig davon ist in derartigen Fällen auch zweifelhaft, ob durch die Verschiebung der elektiven Eingriffe überhaupt einen Schaden entsteht, denn diese Eingriffe müssen nachgeholt werden, sodass sich die Erwerbschancen der Chefärzte nach Aufhebung der entsprechenden hoheitlichen Maßnahmen etwa in Höhe der vorherigen Einbußen wieder erhöhen dürften.

 

2. Chefärzte mit Beteiligungsvergütung

Soweit Chefärzte im Rahmen der vereinbarten variablen Vergütung an den Einnahmen des Krankenhausträgers aus gesondert berechenbaren wahlärztlichen und ambulanten Leistungen beteiligt werden, könnte man auch an einen Anspruch aus § 615 S. 3 BGB denken, falls die Einnahmen des Chefarztes als Folge der Verschiebung elektiver Eingriffe zurückgehen.

Die Vorschrift erfasst das sogenannte Betriebsrisiko. Es gelten danach die Regeln des Annahmeverzugs entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalles zu tragen hat. Danach schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch dann das vereinbarte Entgelt, wenn der Arbeitnehmer wegen einer Betriebsstörung nicht arbeiten kann, wobei der Arbeitsausfall auf jedem von außen einwirkenden Umstand beruhen kann, sogar, wie hier, auf einer Betriebsstilllegung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften/Anordnungen. Auf das Verschulden des Arbeitgebers/Krankenhausträgers kommt es in diesem Zusammenhang dann nicht an.

Allerdings liegt hier kein typischer Fall des „Betriebsrisikos“ vor. Denn es geht nicht darum, dass der Chefarzt seine Tätigkeit nicht mehr ausüben kann. Im Gegenteil, sämtliche notwendigen Operationen und Eingriffe sind nach wie vor durchzuführen, und zwar an allen Patienten, also nicht nur den Wahlleistungspatienten.

Dagegen geht es in der Rechtsprechung zu den Betriebsrisikofällen durchgehend darum, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung gar nicht mehr erbringen kann.

Das scheint auch das LAG Düsseldorf in einer Entscheidung vom 20. April 2015 (9 Sa 151/15) im Auge gehabt zu haben, in der der Verlust von Liquidationseinnahmen wegen urlaubs- und krankheitsbedingtem Ausfall von Mitarbeitern nicht über § 615 S. 3 BGB, sondern über den Schadenersatzanspruch nach § 280 BGB gelöst wird. Diesen Anspruch hat das LAG Düsseldorf im konkreten Fall verneint, weil den Krankenhausträger kein Verschulden traf. Das Gericht führt hier aus:

„Auch hier geht es deshalb nur um den Teil, der zusätzlich für die Behandlung einer bestimmten Patientengruppe angefallen wäre. Wenn diese nicht behandelt werden kann, weil wegen Urlaub und Krankheit kein Patient behandelt werden kann, dann gehört dieser Gesichtspunkt nicht zu den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt. Denn der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer nicht an jedem Tag die Behandlung von Patienten ermöglichen, für die er eine zusätzliche Vergütung verdienen kann, wenn es im relevanten Zeitraum auch andere Arbeiten gibt, mit denen der Arbeitnehmer beschäftigt werden kann […]“.

So liegt der Fall auch in der „Corona-Konstellation“: Der Chefarzt hat mit der Vereinbarung einer zusätzlichen variablen Vergütung keinen Anspruch erworben, täglich Wahlleistungspatienten stationär oder ambulant zu behandeln.

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber in § 615 S. 3 BGB das Betriebsrisiko dem Arbeitgeber zuweist, weil dieser den Arbeitnehmer vertraglich gebunden und ihm dadurch eine alternative Verwertung seiner Arbeitskraft unmöglich gemacht hat. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass dem Arbeitgeber das Risiko behördlicher Betriebsverbote zu Recht auferlegt wird, solange der Arbeitnehmer die vertraglich mit ihm vereinbarten Dienste noch anderswo erbringen könnte (BAG v. 30.05.1963, 5 AZR 252/62; LAG Berlin-Brandenburg v. 29.10.2014, 17 Sa 285/14). Wenn aber – wie hier – die elektiven medizinischen Eingriffe bundesweit für einen bestimmten Zeitraum untersagt werden bzw. diese Eingriffe verschoben werden sollen, könnte der betroffene Chefarzt seine Beteiligungsvergütung auch in anderen Krankenhäusern nicht verdienen, die ebenfalls von den hoheitlichen Regelungen betroffen sind. In diesen Fällen gilt nach vorzugswürdiger Auffassung deshalb das Betriebsrisiko im Sinne von § 615 S. 3 BGB nicht, weil der Gesetzgeber es für diese Fälle nicht normiert hat (so wohl auch Hohenstatt/Krois, Lohnrisiko und Entgeltfortzahlung während der Corona-Pandemie, NZA 2020, 413 ff.)

Mithin kommt auch in den Fällen einer vereinbarten Beteiligungsvergütung allenfalls eine Schadenersatzpflicht nach § 280 BGB in Betracht, die, wie schon bei den Chefärzten mit Liquidationsberechtigung, regelmäßig deshalb ausscheidet, weil ein Verschulden des Krankenhausträgers nicht vorliegt.

Die Fälle, in denen über Ländererlasse elektive Aufnahmen, Operationen und Eingriffe in allen Krankenhäusern auf unbestimmte Zeit verschoben worden sind, sind daher richtigerweise nicht über das Betriebsrisiko zu lösen (so auch Sagan/Brockfeld, Arbeitsrecht in Zeiten der Corona-Pandemie, NJW 2020, 1112).

Im Übrigen stellt sich – wie oben zu den Konstellationen ausgeführt, in denen die Chefärzte ein eigenes Liquidationsrecht haben – die Frage nach dem entstandenen Schaden.

 

3. Zusätzliche Überlegungen, andere Vertragsgestaltung

In diesem Zusammenhang lohnt auch der Blick auf andere Fallgestaltungen:

So ist ein abweichendes Ergebnis sicher dann anzunehmen, wenn dem Chefarzt – wie nicht unüblich – in Bezug auf die variable Vergütung Garantien erteilt worden sind.

Darüber hinaus könnte ein Anspruch der Chefärzte auch an einer sogenannten „Entwicklungsklausel“ im Chefarzt-Dienstvertrag scheitern. Dies bleibt aber einer gesonderten Untersuchung vorbehalten. Das gilt auch für den möglichen Anpassungsbedarf bei Zielvereinbarungen.

Ob nachgeordnete Ärzte und sonstige Mitarbeiter Ansprüche auf Poolbeteiligung haben, hängt von der jeweiligen Vertragsgestaltung und davon ab, in welchem Bundesland der Betroffene tätig ist, da sich Ansprüche teilweise aus Ländergesetzen ergeben.

 

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