Gründonnerstag 2021 – Feiertag, Urlaub oder doch nicht arbeitsfrei?

23. März 2021

Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22. März 2021 hat u.a. den Gründonnerstag zum „einmaligen Ruhetag“ erhoben – ohne damit zu beantworten, welche konkreten Rechte und Pflichten sich daraus nun ergeben. Da eine gesetzliche Spezialregelung (zumindest bislang) fehlt, hilft der Rückgriff auf die altbekannten Instrumente:

  1. Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 22. März 2021 sieht unter Punkt 4. vor:

[…] Deshalb sollen der 1. April (Gründonnerstag) und der 3. April (Samstag) 2021 zusätzlich einmalig als Ruhetage definiert werden und mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen sowie einem Ansammlungsverbot vom 1. bis 5. April verbunden werden („Erweiterte Ruhezeit zu Ostern“). Es gilt damit an fünf zusammenhängenden Tagen das Prinzip #WirBleibenZuHause. […]

  1. Tatsächlich stellt sich bei dem Blick in den Text des Beschlusses schon die Frage der Verbindlichkeit, wenn die Rede davon ist, dass der Gründonnerstag als ein Ruhetag definiert werden „soll“.

In juristischen Sprachgebrauch ist ein „soll“ systematisch betrachtet mehr als ein „kann“, aber weniger als ein „muss“. Dies ließe schon die Frage zu, inwieweit eine verbindliche Regelung zur Einhaltung eines „Ruhetages“ überhaupt in dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz enthalten ist.

Zudem spricht der Beschluss von einem „Ruhetag“, was ein gesetzlich bislang nicht gebrauchter Begriff ist. Das Arbeitszeitgesetz kennt den Begriff der „Sonn- und Feiertagsruhe“ – aber nicht den Begriff des Ruhetags.

Ausgehend von der gesamten Intention des Beschlusses soll aber im Folgenden zunächst unterstellt werden, dass das „soll“ wie ein „ist“ zu verstehen ist.

  1. Entgegen einer vorschnell in den Medien heute früh verbreiteten Aussage ist aber damit der Gründonnerstag noch kein Feiertag.

Gesetzliche Feiertage sind nur solche, welche in den Feiertagsgesetzen der Bundesländer als solche ausgewiesen sind. Dort gibt es zwar Regelungen zum Umgang mit Gründonnerstag als „stillem Feiertag“ – aber der Tag ist nicht als arbeitsfreier Feiertag definiert.

Schon vor diesem Hintergrund konnte die Ministerpräsidentenkonferenz vom 22. März gar nicht beschließen, dass Gründonnerstag ein Feiertag sei – hierfür besteht eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer.

  1. Arbeitsfrei und damit mit der Pflicht zur Fortzahlung von Entgelt trotz fehlender Gegenleistung sind aber nur Sonn- und gesetzliche Feiertage (§§ 9, 10 ArbZG).

Welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn ein Tag als „einmaliger Ruhetag“ definiert wird, ist in dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz nicht geregelt. Ein Donnerstag ist jedenfalls unstreitig kein Sonntag – und ein Feiertag ist der Gründonnerstag auch nicht. Der Blick in das Arbeitszeitgesetz hilft also nicht weiter.

Mangels anderweitiger Regelungen kann die Frage daher nur nach den allgemeinen Spielregeln des Schuldrechtes beantwortet werden.

a) Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz sieht in der vorstehend genannten Stelle kein Verbot der Erbringung von Arbeitsleistung vor. Der Beschluss spricht allein von „Kontaktbeschränkungen“ und „Ansammlungsverbot“ und kommt mit einem blumigen Hashtag #WirBleibenZuHause daher.

Im Umkehrschluss ergibt sich daraus dann aber auch, dass eine Arbeitsleistung im Home Office (#WirBleibenZuHause) am Gründonnerstag im Einklang mit dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz ist und somit kein Verstoß gegen den „Ruhetag“ darstellt.

Soweit also eine Arbeit im Home Office möglich ist, ist bei nüchterner Betrachtung des Beschlusses vom 22. März damit weder die Arbeitspflicht suspendiert noch die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich. Es besteht also weiterhin eine Arbeitspflicht, umgekehrt ist auch der Arbeitgeber zur Gegenleistung (Entgeltzahlung) verpflichtet.

b) Soweit eine Arbeitsleistung nicht im Home Office erbracht werden kann, ist nach der Intention des Beschlusses vom 22. März eine Arbeitsleistung in Präsenz im Betrieb nicht zu erbringen. Es gilt insoweit eine „Ruhepflicht“, die – auch wenn das so explizit nicht benannt wird – wohl als ein „Beschäftigungsverbot vor Ort“ zu verstehen ist.

Damit wird die Erbringung der Arbeitsleistung für den Arbeitnehmer im Betrieb unmöglich. Nach den allgemeinen Regeln des Schuldrechts ist der Arbeitnehmer daher gemäß § 275 BGB von der Erbringung der Arbeitsleistung befreit.

Allerdings gilt dann umgekehrt beim wechselseitigen Vertrag (zu dem der Arbeitsvertrag unstreitig zählt), dass nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt: „Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung.“

Zwischenergebnis:

Der Arbeitnehmer ist von der Erbringung seiner Arbeitspflicht am Gründonnerstag im Betrieb zwar befreit, er verliert aber auch seinen Anspruch auf die Gegenleistung (Entgeltzahlung) für diesen Tag. Für Karfreitag oder Ostermontag gilt dies hingegen nicht, weil diese Tage als Feiertage weiterhin Vergütungspflicht bleiben, auch wenn an Feiertagen keine Arbeitspflicht besteht.

c) Damit bleibt für die letztgenannte Gruppe die Frage, ob sich aus den Besonderheiten des Arbeitsrechtes eine Ausnahme zu der Grundregel des allgemeinen Schuldrechts in § 326 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt. Als eine solche Ausnahmeregelung kommt die Regelung des § 615 Satz 3 BGB in Betracht, die sog. Betriebsrisiko-Regelung. Danach muss der Arbeitgeber in den Fällen, in denen er das Risiko des Arbeitsausfalls trägt, die nicht erbrachte Arbeitsleistung vergüten, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet wäre.

Die Frage ist, ob eine öffentlich-rechtliche Anordnung eines „Ruhetages“, oder genauer gesagt, die Anordnung eines „Beschäftigungsverbotes im Präsenzbetrieb“, ein der Betriebsrisikolehre zuzuordnender Grund für eine Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers ist.

aa) Als Betriebsrisiko werden Fälle angesehen, bei denen von außen auf typische Betriebsmittel (z.B. Gebäude, Anlagen, Maschinen, Fahrzeuge) eingewirkt wird, und die sich für den Arbeitgeber als Fälle höherer Gewalt darstellen. Das gilt insbesondere bei Naturkatastrophen und witterungsbedingten Ausfällen oder vergleichbaren Unglücksfällen.

Die Anordnung durch Behörden oder die Politik wird aber mehrheitlich nicht als mit solchen (Natur)ereignissen vergleichbar angesehen. Anders als bei der typischen Betriebsrisikolehre ist hier die Ursache für die Betriebsstörung „handgemacht“ – sie beruht auf einer bewussten Entscheidung der Politik.

bb) Die Rechtsprechung nimmt indes an, dass behördliche Maßnahmen auch wie betriebstechnische Betriebsausfälle zu behandeln sein können. Dies soll abhängig sein von „der Eigenart des Betriebs“; wenn der Betrieb „eine besondere Risikosphäre darstellt“, dann müsse der Arbeitgeber sich eine entsprechende Verfügung auch zurechnen lassen. Das sei insbesondere der Fall bei einer Vorhersehbarkeit und Kalkulierbarkeit des Risikos. So hat die Rechtsprechung zum Beispiel bankenaufsichtsrechtliche Maßnahmen oder ein gesetzliches Spielverbot bei einer Spielbank als Fälle des Betriebsrisiko angesehen.

Diese Differenzierung dürfte im Hinblick auf die Einteilung des Gründonnerstags als „Ruhetag“ aber nicht zu einer entsprechenden Bewertung führen. Die entsprechende Forderung des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz gilt völlig unabhängig von Größe oder Branche eines Betriebes – und ausweislich der völligen Überraschung der Öffentlichkeit am Morgen nach der Konferenz über den getroffenen Beschluss lässt sich schwerlich behaupten, dass eine solche Maßnahme „vorhersehbar oder kalkulierbar“ gewesen sei. Sie geht in der Tat deutlich über das hinaus, was bislang vorgesehen war.

cc) In der juristischen Fachliteratur ist hingegen überwiegend angenommen worden, dass die Zuweisung des Betriebsrisikos an den Arbeitgeber ein allgemeines Prinzip der Arbeitsrechtsordnung sei (was nüchtern betrachtet allerdings ein Allgemeinplatz ist), und der Arbeitgeber wegen des betriebsbezogenen Risikos des Publikumsverkehrs und der Ansteckungsgefahr für die Zeit der Betriebsschließung nach § 615 S. 3 BGB in der Lohnfortzahlungspflicht bleibe. Diese Meinung wird von einem beachtlichen Teil der Literatur allerdings auch abgelehnt mit dem Hinweis darauf, dass ein Arbeitgeber kein Risiko für behördliche Entscheidungen tragen könne.

Diese juristische Diskussion stammt indes noch aus der Anfangszeit der Pandemie, als Hygienekonzepte und mittlerweile durch die Arbeitsschutzverordnungen vorgesehene (effektive) Schutzmaßnahmen in Betrieben noch bestenfalls in den Kinderschuhen steckten.

Tatsächlich sind nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht Betriebe und Arbeitgeber Treiber des Infektionsgeschehens, sondern z.B. die mit der Anreise (in öffentlichen Verkehrsmitteln) verbundenen Kontakte. Ein solches Risiko wiederum ist aber nach den vorstehenden Erwägungen keines, welches man der Risikosphäre des Betriebes zuordnen kann, der aufgrund eines effektiven Hygienekonzeptes – ein solches jedenfalls einmal unterstellt – gerade kein betriebliches Risiko setzt.

dd) Auch dürfte ein vielfach verwendetes Argument, dass die Betriebsrisikolehre nach § 615 Satz 3 BGB für den Arbeitgeber in Anbetracht von Erstattungsansprüchen im Hinblick auf behördliche Anordnungen keine unangemessene Belastung sei, im vorliegenden Fall nicht greifen.

Ungeachtet der Tatsache, dass der Verweis auf mögliche Entschädigungsansprüche nach § 56 IfSchG schon bislang in der Praxis vielfach ins Leere läuft, weil zunehmend die Verwaltungsbehörden eine eigene Ausgleichspflicht im Hinblick auf arbeitsvertragliche Regelungen (§ 616 BGB) ablehnen, greift die Regelung im Hinblick auf die Erwartungshaltung zu Gründonnerstag schon ihrem Wortlaut nach nicht. Es wird unterschiedslos ohne Bezugnahme auf eine mögliche Infektion oder einen Infektionsverdacht eine Anordnung zum „Ruhetag“ ausgesprochen.

ee) Schließlich würde sich auch ansonsten ein unausgewogenes Gesamtbild ergeben: Während für den Mitarbeiter im Home Office nach wie vor eine Arbeitspflicht besteht (und er dafür natürlich weiterhin sein Entgelt erhält), würde ansonsten für den Mitarbeiter, bei dem die Möglichkeit der Arbeit im Home Office nicht vorhanden ist, eine Entgeltzahlung ohne Gegenleistung fließen und damit innerbetrieblich das (emotional nachvollziehbare) Gefühl einer Lohn-Ungerechtigkeit entstehen.

5. Daher ist für die Frage zur Arbeitspflicht an Gründonnerstag, vorbehaltlich einer ggf. noch erfolgenden spezielleren Regelung, wie folgt zu differenzieren:

a) Für Arbeitnehmer, die einer Tätigkeit an Gründonnerstag im Home Office nachgehen können, bleibt dieser Tag ein „normaler“ Arbeitstag mit der regelmäßigen Arbeitsverpflichtung und umgekehrt auch entsprechendem Entgeltanspruch.

b) Für Arbeitnehmer, die keine Möglichkeit haben, ihre Tätigkeit im Home Office zu verrichten, ist die Arbeitsleistung im Betrieb an diesem Tag unmöglich. Der Arbeitgeber wird, weil die Anordnung der Ministerpräsidentenkonferenz nicht in sein Betriebsrisiko fällt, aber umgekehrt auch von der Gegenleistung (Entgeltzahlung) für diesen Tag frei.

c) Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien für diesen Kalendertag einvernehmlich einen Tag Urlaub, sind sowohl Arbeitspflicht (aufgehoben) wie auch Entgeltzahlung (Urlaubsentgelt) für diesen Tag dann einvernehmlich geregelt. Der Mitarbeiter bringt dann einen Tag Urlaub für die Fortzahlung des Entgelts mit ein.

d) Eine Entgeltfortzahlungspflicht aufgrund eines Feiertages besteht in keinem Fall. Gründonnerstag ist kein Sonn- oder Feiertag im Sinne der §§ 9, 10 ArbZG. Es besteht daher im Fall einer Arbeitsleistung an Gründonnerstag auch keine Verpflichtung zur Zahlung von Zuschlägen für Sonn- oder Feiertagsarbeit.

  1. Unklar ist, ob und wenn ja in welcher Form noch eine konkretisierende Regelung erfolgen wird – und ob sie überhaupt rechtzeitig erfolgen kann.

Zwar sind im Laufe des Dienstags bereits erste Äußerungen getätigt wurden, wonach „der Bund noch heute die Rechtsgrundlage schaffen werde, dass sowohl der Gründonnerstag wie auch der Karsamstag wie ein Sonn- und Feiertag behandelt werde“. Insoweit stellt sich aber die Frage, ob hierfür überhaupt eine entsprechende Regelungskompetenz besteht.

a) Die Gesetzgebungskompetenz für Feiertage liegt, wie eingangs bereits erwähnt, nicht beim Bund, sondern in den einzelnen Bundesländern. Erforderlich wäre also jeweils eine für das Kalenderjahr 2021 befristete Ergänzung des jeweiligen Landesgesetzes zu Feiertagen.

Aufgrund des Gesetzesvorbehaltes müsste eine solche Regelung tatsächlich in Form eines Gesetzes ergehen, es sei denn, die Feiertagsgesetze der Länder sehen eine Ermächtigung der Exekutive durch eine Festlegung durch einfache Verordnungen vor. Das ist zwar tatsächlich in vielen Bundesländern der Fall (wenngleich teilweise beschränkt auf religiöse Feiertage, was beim Gründonnerstag die nächste Diskussion auslösen könnte), aber z.B. just in den vier größten Bundesländern, in denen über 50 Millionen Einwohner leben, ist dies gerade nicht der Fall. Ob in den jeweiligen Landesparlamenten in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit ein Gesetz ordnungsgemäß verabschiedet werden kann, erscheint fraglich.

b) Der Bund hingegen hat die Gesetzgebungskompetenz für die Regelungen des Arbeitszeitgesetz. Dieses sieht in den §§ 9-11 ArbZG Regelungen zur Sonntags- und Feiertagsruhe (§ 9), Ausnahmen hierzu (§ 10) und Ausgleichsregelungen (§ 11) vor.

Auch hier gilt, wie schon bei den Feiertagsgesetzen der Länder, dass es schwierig erscheint, dass in der Kürze der Zeit eine ordnungsgemäße Ergänzung des Arbeitszeitgesetzes durch drei Lesungen des Bundestages nebst formalem Abschluss des Verfahrens und Verkündung im Bundesgesetzblatt innerhalb einer Woche realisierbar ist.

Eine Umsetzung im Wege einer Verordnung erscheint im Umkehrschluss aus § 15 ArbZG nicht möglich. Dort sind verschiedene Szenarien zu Ergänzungen der §§ 9-11 ArbZG vorgesehen – keine der dort genannten Fallgruppen würde aber eine Regelung wie nunmehr beabsichtigt abdecken. Aus dem Arbeitszeitgesetz ergibt sich damit bei richtiger Auslegung keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für eine (angeblich derzeit vom BMI geplante) Verordnung.

  1. Damit dürfte es, sofern nicht eine außergewöhnlich schnelle gesetzliche Regelung geschaffen wird, bei dem vorstehend unter 5. skizzierten Ergebnis verbleiben.

Es spricht daher zunächst einiges dafür, dass erneut ein Fall vorliegt, in dem eine Ministerpräsidentenkonferenz etwas beschließt, was hinterher nicht umgesetzt werden kann, weil entweder die rechtlichen Grundlagen fehlen oder die erforderlichen Sachmittel (z.B. ausreichende Schnelltests oder Impfstoffe).

Die öffentliche Kommunikation ist freilich eine andere, indem behauptet wird, dass Gründonnerstag und Karsamstag „wie Feiertage frei seien“. Tatsächlich lohnt aber der Blick auf die zugrunde liegenden rechtlichen Vorschriften. So wurde zuletzt auch im Januar behauptet, man habe eine „Home Office Pflicht“ beschlossen – was sich dann bei nüchterner Betrachtung lediglich als eine Pflicht eines Angebotes an Arbeitnehmer und auch dies nur unter eingeschränkten Voraussetzungen entpuppte.

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