Aufsichtsratswahlen der Arbeitnehmer in Zeiten der Corona-Pandemie

Aufsichtsratswahlen der Arbeitnehmer in Zeiten der Corona-Pandemie

 

30. März 2020

In zahlreichen Unternehmen laufen derzeit die Wahlen der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) und dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG). Andere Unternehmen stehen kurz vor der Einleitung der Wahl. Anders als bei der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber keine „Notfallgesetzgebung“ für die laufenden oder gerade anstehenden Aufsichtsratswahlen der Arbeitnehmer erlässt. Es ist daher in den nächsten Tagen zu entscheiden, wie mit der Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer verfahren werden soll. Hierzu sollen die nachfolgenden Ausführungen einige Hilfestellungen geben:

  1. Die Entscheidung, wie mit einer Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer in Zeiten von Covid-19 umgegangen wird, ist immer eine Einzelfallentscheidung. Bei einer bereits eingeleiteten Wahl hat der „oberste“ Wahlvorstand die Entscheidung zu treffen. Gleichwohl sollte mit allen Beteiligten, d.h. vor allem mit dem Unternehmen und den anderen Wahlvorständen, gesprochen werden. Unternehmen sollten daneben aktiv auf die Wahlvorstände zugehen und mit diesen über das weitere Vorgehen sprechen. Kosten, die aus einer „fehlerhaften“ Wahl (z.B. einer Anfechtung) oder aus einem späteren Abbruch der Wahl folgen, hat das Unternehmen zu tragen. 
  2. Nachfolgende Grafik gibt eine Entscheidungshilfe, wie mit einer Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer in den nächsten Monaten verfahren werden kann:

    [nur in pdf.Datei verfügbar, Download Ende des Beitrags]

  3. Bei der Frage, ob eine bereits eingeleitete Wahl fortgesetzt oder eine noch nicht eingeleitete Wahl aufgenommen wird, sind unter anderem folgende Aspekte zu beachten:
    • Wird die Wahl fortgeführt oder eingeleitet, kann es zu Problemen bei der Stimmabgabe (Stichwort Infektionsschutz), aber auch hinsichtlich der Wirksamkeit der Bekanntmachungen kommen. Daneben ist auch das Sammeln von Stützunterschriften erschwert. Auch kann eine geringe Wahlbeteiligung ggf. die Mehrheitsverhältnisse beeinflussen.
    • Wird die Wahl unterbrochen, ist dies nicht in den Wahlordnungen abgebildet. Folglich besteht ein grundsätzliches Risiko, dass die Wahl anfechtbar wäre. Jedoch kann unmittelbar nach der Corona-Krise das Wahlverfahren wieder aufgenommen werden, was zeitlich effektiv ist und zusätzliche Kosten vermeidet.
    • Der Abbruch einer Wahl und der Neustart derselben nach der Corona-Krise ist zumeist mit den höchsten Kosten verbunden. Allerdings ist dies der rechtlich sicherste Weg.

Letztlich ist jedoch bei dieser Entscheidung der Einzelfall ausschlaggebend. Beispielsweise wäre zu berücksichtigen, in welchem Umfang die Briefwahl möglich und zulässig wäre. Auch muss die Stimmauszählung öffentlich erfolgen. Insoweit ist zu prüfen, wie die Öffentlichkeit auch unter Berücksichtigung des Infektionsschutz gewährleistet werden kann.

  1. Für die Entscheidung, ob eine bereits eingeleitete Wahl abgebrochen oder unterbrochen wird, ist zu berücksichtigen, an „welcher Stelle“ im Verfahren sich die Wahl bereits befinden und welcher „Aufwand“ schon investiert wurde. Soweit die Wahl noch relativ am Anfang des Wahlverfahrens steht und somit der bisherige Aufwand gering ist, erscheint oftmals der Abbruch der Wahl sinnvoll. Die Frage, welcher Aufwand generell eine Wahl mit sich bringt und wie viel Aufwand bereits erfolgt ist, hängt wesentlich vom jeweiligen Unternehmen ab und nach welchem Gesetzt (MitbestG oder DrittelbG) gewählt wird. Beispielsweise ist die Wahl nach dem DrittelbG nicht besonders komplex und lässt sich in wenigen Wochen durchführen.
  2. Die DGB-Gewerkschaften haben Hinweise und Empfehlungen abgestimmt, wie mit Aufsichtsratswahlen in Zeiten von Covid-19 umzugehen ist. Diese sehen für jedes Unternehmen eine Einzelfallentscheidung vor. Angeregt wird jedoch, dass „Wahlen, die noch im Anfangsstadium sind, […] durch den Wahlvorstand abgebrochen werden [sollen]. Im Bereich des Mitbestimmungsgesetzes beispielsweise vor Erlass der Bekanntmachungen über die Art der Wahl und Einreichung von Wahlvorschlägen. In der Drittelbeteiligung vor dem Aushang des Wahlausschreibens. […] laufende Wahlen, die über den […] genannten Zeitpunkt (Anfangsstadium) hinausgegangen sind“ sollen nach der Empfehlung unterbrochen werden.
  3. Eine Verschiebung, Unterbrechung oder der Abbruch der Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer dürfte zumeist die Folge haben, dass die Mandate der aktuellen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat enden, ohne dass neue Arbeitnehmervertreter gewählt wurden. In diesen Fällen ist über eine gerichtliche Ersatzbestellung nach § 104 AktG (gilt auch für die mitbestimmte GmbH) nachzudenken und ggf. ein Antrag beim zuständigen Registergericht zu stellen. Dieses besetzt sodann nach freiem Ermessen die freien Aufsichtsratsplätze, wobei es zumeist einvernehmlich gemachten Vorschlägen folgt. Daher ist im Idealfall ein zwischen den Beteiligten abgestimmter Vorschlag mit dem Antrag einzureichen. Der Antrag kann u.a. durch das Unternehmen gestellt werden, wobei dieses Vorgehen durchaus üblich ist. Zur Vermeidung von langen Bearbeitungszeiten empfiehlt sich, frühzeitig, d.h. bereits vor der Antragstellung, Kontakt mit dem zuständigen Registergericht aufzunehmen.

 

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Ansprechpartner

Dr. Lasse Pütz Dr. Lasse Pütz Tel.: +49 221 55400-130
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