Bundesverfassungsgericht lehnt Eilanträge gegen die bayerischen Regelungen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie ab

8. April 2020

Die massiven Einschränkungen von Grundrechten zur Bekämpfung der Corona-Pandemie lösen teilweise ernste Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen aus. Das Bundesverfassungsgericht hat nun zu den bayerischen Regelungen eine vorläufige Entscheidung getroffen.

 

Mit Beschluss vom 7. April 2020 (Az.: 1 BvR 755/20) hat das Bundesverfassungsgericht es abgelehnt, im Wege einer einstweiligen Anordnung die

    • Bayerische Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie (Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung - BayIfSMV) vom 27. März 2020,
    • die Bayerische Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie vom 24. März 2020,
    • die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20. März 2020

und

    • die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege und des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 16. März 2020, geändert durch Allgemeinverfügung vom 17. März 2020

außer Vollzug zu setzen.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde im Zusammenhang mit einer Verfassungsbeschwerde gestellt, die sich gegen die genannten bayerischen Regelungen wandte.

 

Zur Zulässigkeit

Eine Auseinandersetzung in der Sache scheute das Gericht nicht, sondern sah den Antrag auf einstweilige Anordnung als zulässig an. Es ebnete so den Weg für eine – vorläufige – Entscheidung in der Sache, indem es eine vorherige Befassung der Fachgerichte ausnahmsweise für entbehrlich, weil unzumutbar hielt. Die Kammer begründete dies mit den offensichtlich fehlenden Erfolgschancen einer Anrufung der Fachgerichte angesichts jüngst ergangener, ablehnender Entscheidungen sowohl des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs wie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs.

 

Zur Begründetheit

In der Prüfung der Begründetheit greift die Kammer auf die bekannte Formel des Bundesverfassungsgerichts zur Abwägung der Fehlerfolgen einer Entscheidung zurück, die zum Einsatz kommt, falls die Sache eine eingehenderen Prüfung bedarf, die im Eilrechtsschutz angesichts der knappen Zeit nicht zu leisten ist. Es wägt dabei die Konsequenzen, die entstehen, wenn im Eilrechtsschutz dem Antrag stattgegeben wird, die Verfassungsbeschwerde aber erfolglos bleibt, mit den Folgen ab, die sich ergeben, falls der Eilrechtsschutz versagt wird, die Verfassungsbeschwerde aber letztendlich Erfolg hat.

Das Gericht betont zunächst bei der Betrachtung der Folgen einer fälschlich verweigerten einstweiligen Anordnung die „erheblichen und voraussichtlich teilweise auch irreversiblen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen“, die aus den Einschränkungen der Freiheitsrechte resultieren, welche die angegriffenen Regelungen bewirken.

Demgegenüber steht aber, so die Kammer, die „Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen“, falls die bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen (zu Unrecht) ausgesetzt würden.

In der Abwägung der Fehlerfolgen unterliegt daher der Antrag auf Aussetzung der bayerischen Regelungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Dabei bringt das Gericht auch die Gesichtspunkte der zeitlichen Begrenzung sowie von Ausnahme- und Härtefallregeln ein. Denn es sei „auch zu berücksichtigen, dass die angegriffenen Regelungen von vornherein befristet sind, im Hinblick auf die Ausgangsbeschränkungen zahlreiche Ausnahmen vorsehen und bei der Ahndung von Verstößen im Einzelfall im Rahmen des Ermessens individuellen Belangen von besonderem Gewicht Rechnung zu tragen ist.“

Die Entscheidung erging einstimmig.

 

Kommentar

Bemerkenswert ist, dass das Bundesverfassungsgericht nicht den vielleicht einfacheren Weg gewählt und den Beschwerdeführer darauf verwiesen hat, zunächst mit seinem Antrag vor die Verwaltungsgerichte zu ziehen, sondern sich – freilich nur im engen Rahmen des Eilrechtsschutzes – mit der Sache befassen wollte.

Das Ergebnis war dann aber angesichts der gewählten und üblichen Methode der Fehlerfolgenabwägung absehbar: Die Abwehr von realen, wenn auch nicht genau zu beziffernden Gefahren für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen wiegt schwerer als die Vermeidung von Gefahren, die aus den flächendeckenden Grundrechtsbeschränkungen resultieren, welche dem Gesundheits- und Lebensschutz dienen.

Weil die bayerischen Maßnahmen zum Schutz gegen die Covid-19-Pandemie bundesweit zu den strengsten gehören, hat das Bundesverfassungsgericht zugleich auch ähnlichen Anträgen gegen die Maßnahmen anderer Länder ein Stück weit die Spitze abgebrochen.

Es ist zwar denkbar, dass das Gericht in der Hauptsacheentscheidung über die Verfassungsbeschwerde zu einem anderen Ergebnis kommt, meist folgt es jedoch der Richtung, die es in der Eilentscheidung bereits eingeschlagen hat. Allerdings wird die Hauptsacheentscheidung vermutlich noch länger auf sich warten lassen. Daher besteht die Möglichkeit, dass zum Zeitpunkt der Hauptsacheentscheidung bereits genauere Erkenntnisse über die dann hoffentlich schon abgeklungene Pandemie vorliegen, welche doch dafür sprechen, der Verfassungsbeschwerde stattzugeben.

 

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2020 (Az.: 1 BvR 755/20) findet sich hier.

 

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